Manche Traditionen ergeben sich aus einem Zusammentreffen von Zufällen oder zumindest von glücklichen Fügungen. Mit den inzwischen jährlichen Steinwaykonzerten des CV-Zirkels Hamburg verhält es sich gerade so. Und der Zuspruch ist immer noch steigend.
Für das Sommersemester 2006 organisierte der damalige Zirkelvorsitzende, Jochem Vorstheim, einen Besuch des Produktionsbereiches der Firma Steinway am Rondenbarg – das liegt in Stellingen nahe der A7. Es war ein faszinierendes Erlebnis, der Entstehung eines höchstwertigen Musikinstrumentes vom rohen Holzbrett bis in den Konzertsaal zu folgen. Die fast vier Stunden dieser Führung wurden von allen Teilnehmern als im wahrsten Wortsinn „kurzweilig“ empfunden.
Seit der Klavierbauer Heinrich Engelhard Steinweg seinen ersten Flügel baute, sind bald zwei Jahrhunderte vergangen: Es war 1836 in Seesen am Harz. 1850 wanderte die Familie in die Vereinigten Staaten aus und gründete in New York 1853 das Unternehmen Steinway & Sons. Seit 1888 ist in Hamburg eine Filiale vertreten, die zuerst im Schanzenviertel produzierte, ehe sie 1904 am Jungfernstieg eigene Verkaufsräume eröffnete. 1923 begann schließlich die Errichtung des neuen Fabriksgeländes am Rondenbarg. Ab da vergingen immerhin noch einmal gut 80 Jahre, bis sich der Hamburger CV dem Weltunternehmen am Stadtrand näherte.
Aber es war Liebe auf den ersten Blick. Und es bleibt unvergesslich, wie Jochem Vorstheim – selbst ein begabter und professionell agierender Pianist – zum Abschluss der Führung im kleinen Konzertsaal des Unternehmens („Horowitzsaal“) in die Tasten griff. Unter den Besuchern befand sich auch der Wikinger Jan Berssenbruegge, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, dazu aber auch Musensohn von Herzen. Seit Jahren nimmt er Klavierunterricht und erfreut mit dessen Ergebnis gelegentlich Freunde und Gäste. Also waren es gleich zwei Pianisten, die am wohlgestimmten Flügel einem wohlgestimmten Publikum noch eine halbe Stunde Wohlklang verschafften.
Irgendjemand aus der Corona sprach dann die Idee aus: Hier sollten wir einmal ein eigenes Konzert veranstalten! Wenn wir schon Musiker in unseren Reihen haben …
Und so kam es, daß der Hamburger CV für den 29. September 2006, 18 Uhr, zu seinem ersten aus eigener Kraft gestalteten Konzerttermin lud. Dazu bedurfte es allerdings noch einer prominenten Verstärkung. Jan Berssenbruegge konnte seinen Klavierlehrer, Thomas Böttger, als Hauptinterpreten gewinnen. Der gebürtige Neustrelitzer, Absolvent der Berliner Hanns-Eisler-Hochschule und Schüler von Ruth Zechlin und Tadeusz Baird, ist aufmerksamen Radiohörern auch durch seine zahlreichen redaktionellen Beiträge zur Klaviermusik im NDR bekannt. Der sensible und feinsinnige Pianist, der seit 1986 in Hamburg lebt und international konzertiert, ist überdies auch Komponist vor allem kammermusikalischer Werke; genannt seien seine fünf Rilke-Lieder aus dem Jahr 1981. 2006, nur wenige Wochen nach dem ersten CV-Steinway-Konzert, wurde in Hamburg sein „Nocturne für Klavier“ uraufgeführt.
Mit Thomas Böttger als freundschaftlichem und virtuosem Mitgestalter konnte den Gästen ein anspruchsvolles Programm geboten werden, das der aus Österreich stammende Schauspieler und Moderator Raimund Lang, selbst CVer und seit 1983 in Hamburg ansässig, sachbezogen kommentierte und mit literarischen Rezitationen auflockerte. Im ersten Teil spielten Böttger und sein Schüler Berssenbruegge sowohl solistisch als auch vierhändig, den zweiten Teil bestritt Jochem Vorstheim allein.
Dieses musikalische Ereignis wurde begeistert aufgenommen. Und dass die Begeisterung echt war, lässt sich aus den seither stets steigenden Teilnehmerzahlen ablesen: Waren es beim ersten Mal knapp 70 Gäste, so mussten beim neunten und bislang letzten Termin am 23. März 2018 Stühle dazugestellt werden, um das Publikum aufnehmen zu können. Seit 2016 übernahm die KDStV Wiking die Tradition und führt sie seither in unregelmäßigen Abständen, aber gleicher Form weiter.